Freitag, 31. Januar 2014



Hauptbahnhof Jeder Stadt den Bahnhof, den sie verdient? Wer mit dem Zug in Frankfurt einfährt, landet in der grandiosen Gründerzeithalle von Johann Wilhelm Schwedler und dem repräsentativen Empfangsgebäude von Hermann Eggert. Reist man dagegen nach Berlin, erwartet einen dort der hochmoderne State-of-the-Art-Großbahnhof von Meinhard von Gerkan. Und München? Hier gibt es zwar Größe, aber schon aufgrund des architektonischen Kuddelmuddels wenig Großartiges. Der inzwischen recht desolate Zustand der größtenteils in den 50er Jahren entstandenen Bahnhofsanlagen tut sein übriges daran, dass das Gebäude eher einen Hauch von Ostblock verströmt.

Doch will man den Münchner Hauptbahnhof verstehen, muss man seine Geschichte kennen: Der erste, Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene neuromanische Bahnhofsbau von Friedrich Bürklein war trotz ersten Erweiterungen bereits um 1880 so klein, dass in westlicher Richtung kurzerhand eine neue Bahnhofshalle im Gründerzeitstil angebaut wurde, für welche die Baumeister Carl Schnorr von Carlsfeld, Jakob Graff und Heinrich Gerber verantwortlich zeichneten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Starnberger Flügelbahnhof angebaut, nach dem Ersten Weltkrieg kam der Holzkirchner Bahnhof dazu.

War der Münchner Hauptbahnhof also schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein höchst uneinheitliches Sammelsurium an Baustilen, führten die Kriegszerstörungen schließlich zum heutigen Flickwerk. Während die Reste des Bürklein’schen Baus gesprengt wurden, wurde die Querhalle des Gründerzeitbahnhofs sowie Teile der Flügelbahnhöfe in den zwischen 1955 und 1963 entstandenen Neubau mitintegriert. Für diesen zeichneten neben dem Münchner Architekten Franz Hart auch Heinrich Gerbl und die Bundesbahndirektion verantwortlich. Das Plattenmosaik über dem Haupteingang stammt von Rupprecht Geiger, die Stahlkonstruktion der Haupthalle wurde von der Friedrich Krupp AG erstellt. Ab den 1980er Jahren folgte zudem eine Reihe mehr oder weniger postmoderner Ergänzungen der Architekten Fahr Schaich Reindl.

Schon seit den 70er Jahren wurde der Münchner Hauptbahnhof in seiner heutigen Form als Bausünde wahrgenommen und so verwundern auch die regelmäßig auftauchenden Pläne zu einem Um- bzw. Neubau nicht. Während die einen eine Rekonstruktion des Bürklein-Bahnhofs fordern, entstanden in Zusammenhang mit der Bewerbung um die Winterolympiade 2018 Entwürfe sowohl vom Münchner Büro Auer und Weber wie auch von Gewers Kühn + Kühn. Es kann also gut sein, dass der 50er Jahre Bahnhof in ein paar Jahren verschwunden sein wird. Ob einem dann das Nierentisch-Vordach, die Fassade mit Uhr und Mosaik oder auch das Parkhaus mit Autolift fehlen werden? Vielleicht sollte München zu seiner unvollkommenen Baumoderne stehen und lieber dem heutigen Bahnhof mit seinem speziellen Flair eine Verjüngungskur gönnen.

Die Fassade zum Bahnhofsplatz mit dem riesigen Plattenmosaik von Rupprecht Geiger und dem "Nierentisch"-Vordach

Die Hauptfassade, in den obersten beiden Stockwerken befindet sich das Parkhaus mit Autoaufzug



Blick in den Innenhof: Das Gründerzeit-Quergebäude, die 50er-Jahre Eingangshalle und die Durchgangshalle aus den 80ern





Freitag, 24. Januar 2014



LMU-Mensa Das Essen in der Mensa ist nicht jedermanns Sache. So gibt es Studenten, die sich vor dem massenweise zubereiteten Kantinenessen geradezu ekeln. Andere sehen das Essengehen in der Mensa in erster Linie pragmatisch. Und dann gibt es diejenigen, die nach jahrelangem Konsum zu regelrechten Mensa-Fans werden und die vergleichsweise gute Qualität, die breite Auswahl und die saubere Portionierung des Essens loben. Ein ähnlich breites Meinungsspektrum dürfte es wohl auch im Hinblick auf das Mensa-Gebäude der Ludwig-Maximilians-Universität an der Leopoldstraße geben: Für die einen ein hässlicher Betonklotz, für die anderen ein Zweckbau, lassen sich in dem Gebäude bei näherem Hinschauen Qualitäten erkennen, welche die LMU-Mensa durchaus zu einem Kandidaten für münchen modern machen.

Wie in diesem Blog schon öfter der Fall, lässt sich auch die Baugeschichte der heutigen Uni-Mensa auf die Olympischen Spiele von 1972 zurückführen. Das 1970 errichtete Gebäude war ursprünglich als Kantine für die zur Olympiade angereisten Journalisten gedacht. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, den Namen des/der Architekten ausfindig zu machen. Wie aus Informationen zur Sanierung der Mensa 2010/11 hervorgeht, war für die Gestaltung des Innenraums und das charakteristische Farbkonzept aber der Künstler Manfred Mayerle zuständig, der seit den 70er Jahren bundesweit einer Vielzahl von zumeist öffentlichen Bauten mit Farbe, Licht und Oberflächengestaltung zu einer erhöhten Wirkung verhalf.

In der LMU-Mensa geschieht das zum einen durch den Rot-/Gelb-Gegensatz der beiden großen Speisesäle (die LMU spricht in diesem Zusammenhang von einem „Farbkonzept mit den Primärfarben rot, blau und gelb“), aber auch durch die eigenwilligen runden Pavillons in der Eingangshalle. Zu den positiven Eigenschaften des Bauwerks gehören auf jeden Fall auch dessen harmonische Einbettung in den umgebenden Leopoldpark, die durch großflächige Glasfronten gegebene Transparenz und der klar funktionale Charakter des Gebäudes (u.a. durch den offenen Einblick in die Küche).

Die Sanierung und der teilweise Umbau der Mensa durch das Architekturbüro Grill/Köppel in den Jahren 2010/11 kann zudem durchwegs als gelungen betrachtet werden. Nicht nur wurden eine Kinderkrippe und zusätzliche Seminarräume in das Gebäude eingebaut, sondern auch durch eine teilweise Umgestaltung der Eingangshalle eine behutsame Modernisierung erreicht, welche die 70er Jahre-Aura der Mensa bewahrt, wenn nicht sogar betont.

Harmonisch fügt sich die LMU-Mensa in den umgebenden Leopoldpark ein

Die Anlieferung erfolgt unterirdisch an der Mensa-Rückseite


Ein Farbkonzept aus den Primärfarben Gelb, Rot und Blau prägt die Speisesäle



Die runden Pavillons im Eingangsbereich dienen sowohl als Büro für diverse studennahe Einrichtungen wie auch als Pinwände

Die Sanierung konnte den ursprünglichen Charakter der Mensa gut bewahren


Freitag, 17. Januar 2014



DEBA-Haus Alleine die Proportionen sorgen schon dafür, dass man das DEBA-Haus in der Parkstadt Solln nicht übersehen kann. So listet die Webseite Solln.de feinsäuberlich die Specs des Wohnhaus-Riesen auf: „64 m hoch, 20 Stockwerke, 541 Appartements, 178 Garagen, bewohnt von 1.000 bis 1.100 Personen.“ Und tatsächlich ist das DEBA-Haus in seiner Wirkung so gewaltig, wie kaum ein anderes Wohnhaus in München.

Errichtet wurde das Gebäude im Jahr 1966. Im Internet werden sowohl Fred Angerer wie auch Ernst Maria Lang (der die gesamte Parkstadt Solln plante) als Architekten angegeben. Wer nun wirklich hinter dem DEBA-Haus steckt, muss noch abgeklärt werden, zuzutrauen wäre der Koloss aber beiden: So verwirklichte Lang u.a. in der Studentenstadt ein ähnlich groß dimensioniertes Wohnhochhaus und baute Angerer ebenfalls für die DEBA nur wenige Jahre später einen Wohnturm, mit dem sich ein späterer Beitrag von münchen modern befassen soll.

Die Entstehung des Sollner DEBA-Hauses steht jedenfalls in einem Zusammenhang mit der 1972er Olympiade. So war das Gebäude als Hotel für die Olympischen Spiele geplant und wurde danach vom Bauträger DEBA in ein Appartement-Haus umgewandelt. Von der Hotel-Vergangenheit kündigt noch ein Swimming Pool an der Hausrückseite sowie der vergleichsweise großzügig gestaltete (und bis heute im 60er Stil erhaltene) Eingangsbereich mit Empfang.

Die im Erdgeschoss integrierte Ladenzeile und ein im Haus angesiedelter Gastronomiebetrieb stellen das DEBA-Haus in einen erweiterten Sinnzusammenhang zu Le Corbusiers „Wohnmaschinen“, allerdings in einer eher rudimentären Form – denn sowohl die bescheidene Menge der Geschäfte wie auch die fehlenden Gemeinschaftseinrichtungen weichen erheblich vom Ideal der Unité d’Habitation ab. Somit erzeugt das DEBA-Haus beim Betrachter letztlich eher eine Mischung aus Staunen über die schiere Größe und Schaudern über die Monotonie und Uniformität des Entwurfs.




Die Eingangshalle mit Empfang und Zugang zur Ladenstraße



Der Swimming Pool im Hof verweist auf die Hotel-Vergangenheit des DEBA-Hauses



Freitag, 10. Januar 2014



Haderner Stern Fast 9 Jahre habe ich am Haderner Stern gewohnt und wäre nicht im Traum draufgekommen, dass ich einmal einen anerkennenden Beitrag zur Architektur der gleichnamigen Wohnsiedlung schreiben würde. Doch als ich vor einiger Zeit in einer Monographie über den Münchner Architekten Peter Lanz auf das Wohnensemble stieß, erwachte die Neugier, wieder einmal den Haderner Stern zu besuchen und einen frischen Blick auf die alte Wohnumgebung zu werfen.

Lenz stellt den Entwurf der Wohnanlage in dem Buch in einen Zusammenhang mit großen Ambitionen: Wohnungsbau sei immer eine Reaktion auf die Veränderungen in der Gesellschaft. Um das entsprechend umzusetzen, habe sich der Architekt ausführlich mit historischen Vorläufern – traditionellen „Mietskasernen“, aber auch den klassischen Wohnprojekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – beschäftigt. Für die 1972 bis 1976 entstandene, 60 Hektar große Siedlung in Kleinhadern wählte Lenz daher eine Trennung von Auto- und Fußgängerverkehr, eine vom 28 qm Appartement bis zur 200 qm großen Dachterrassenwohnung reichende Vielfalt an Wohnformen, ergänzt um Gastronomie, Geschäfte und Schule sowie verschiedene, zwischen den Hochhausflügeln gelegene öffentliche Räume.

Vieles davon ist von der Idee her ansprechend, allen voran der autofreie Kern des Haderner Sterns sowie die auf dem Dach des zentralen Supermarkt-Flachbaus verwirklichte Grünfläche. Doch hat sich vieles nicht so entwickelt, wie vom Architekten intendiert: Der Dachgarten ist schon seit langem nicht mehr öffentlich zugänglich, die als zu dunkel empfundenen Einkaufspassagen mussten aufwändig umgebaut werden und die Autofreiheit mündete in ein endloses, katakombenartiges Garagensystem.

Gut lässt der Haderner Stern so die Grenzen der Wohnutopien der 70er Jahre erkennen: Mit knapp 1.000 Wohnungen und rund 3.000 Bewohnern ist die Grenze zum Wohnmoloch fließend und stellte die Siedlung auch die zuständigen Lokalpolitikern regelmäßig vor anspruchsvolle Aufgaben. Aber der Wille zum großen Wurf ist in der Wohnanlage weiterhin erkennbar und unterscheidet den Haderner Stern auch von den gefällig-gesichtslosen Wohnprojekten unserer Tage.

Die drei, bis zu 12-stöckigen Hochhausflügel des Haderner Stern eröffnen einen zentralen öffentlichen Platz
Das Dach des zentralen Supermarkts in der Anlage ist mit einer Parklandschaft begrünt
Die auf den Dachgarten führenden Wendeltreppen sind allerdings bereits seit langem versperrt
Von den oberen Etagen der Wohntürme ergeben sich weite Aussichten auf München und das Umland
Zur Straße hin präsentiert sich der Haderner Stern eher von einer abweisenden Seite
Ein Farb- und Symbolkonzept hilft bei der Orientierung in der Wohnanlage
Die Autofreiheit wird durch eine weitläufige Tiefgarage kompensiert

Donnerstag, 2. Januar 2014



münchen modern wird ein Buch Ich könnte es auf die Blogger-Müdigkeit schieben, doch ist diese kaum dafür verantwortlich, dass münchen modern im letzten Jahr deutlich unter der selbst vorgegebenen Anzahl an Beiträgen blieb. Hauptverantwortlich ist dagegen vielmehr, dass nicht so recht klar war, was aus der – wie ich nach wie vor finde, recht guten und auch gut angenommenen – Blog-Idee werden sollte: Ein Einzelkämpfer-Projekt? Oder ein Community-Blog für alle an der Münchner Nachkriegsmoderne Interessierte? Ein bloßer Internet-Zeitvertrieb? Oder die Vorarbeit für ein Buchprojekt mit allem drum und dran? Diese Unklarheit gepaart mit der Frage „Soll ich mir mal wieder für einen Blog-Beitrag Zeit nehmen oder mich doch lieber der bezahlten Arbeit widmen?“ sorgte dafür, dass münchen modern bisher nur recht langsam vorankam.

Da ich das Thema architektonische Nachkriegsmoderne in München weiterhin höchst spannend finde, habe ich mich zu einem Befreiungsschlag entschieden: münchen modern wird 2014 als Buch erscheinen.

Mit dieser Festlegung sind gleichzeitig einige grundsätzliche Entscheidungen verbunden: Es wird sich um ein Ein-Personen-Projekt handeln, das Wort und Bild aus einer Hand enthält und auch eine gewisse subjektive Perspektive (z.B. einem räumlichen Schwerpunkt im Münchner Westen) widerspiegelt. Zu dieser Entscheidung brachte mich u.a. das an dieser Stelle besprochene, zwar super-spannende, aben eben auch etwas beliebige Berliner Buch-Projekt zur gebauten Nachkriegsmoderne. Impulse von Außen, wie zum Beispiel zusätzliche Informationen zu den behandelten Bauwerken oder Anregungen für die Aufnahme weiterer Baudenkmäler sind aber auf jeden Fall auch weiterhin willkommen und werden ggf. natürlich entsprechend anerkannt.

Was das Buchprojekt betrifft, werde ich bewusst auf die Zusammenarbeit mit einem konventionellen Verlag verzichten und münchen modern stattdessen über einen Selfpublishing-Anbieter veröffentlichen. Zwar ist das bei Bildbänden etwas schwieriger als bei textlastigen Formaten, doch gibt es inzwischen genug Beispiele für selbstpublizierte Kunstbücher und reizt es mich, damit Erfahrungen sammeln. Die Vorteile dieses Vorgehens liegen zudem auf der Hand: inhaltlich, formal und auch zeitlich kann das Projekt so in Eigenregie zu Ende geführt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Sponsoren (z.B. Bauträger, Hausverwaltungsgesellschaften oder Firmenstiftungen) für das Buchprojekt zu begeistern und auf diese Weise einen attraktiven Verkaufspreis zu ermöglichen.

Der geplante Erscheinungstermin für das Buch ist Mitte 2014. Neben den bisherigen Blog-Beiträgen sollen in dem Buch rund 20 weitere Bauten/Ensembles der Münchner Nachkriegsmoderne Eingang finden: Arabella-Haus, Bayerischer Rundfunk, Deba-Hochhaus, Eisbärengehehe im Tierpark Hellabrunn, Erasmus-Grasser-Gymnasium, Europäisches Patentamt, Fußgängerzone, Gasteig, Haderner Stern, Hauptbahnhof, Hypo-Hochhaus, Kaufhof Rotkreuzplatz, Klinikum Großhadern, LMU-Mensa, Neue Pinakothek, Paketposthalle, Pharaohaus, Seniorenresidenz Westpark, TÜV-Zentrale und die Wohnsiedlung im Westpark.