Dienstag, 30. Juli 2013


Frei-Otto-Voliere Ein Vogelkäfig als Musterbeispiel für modernes Bauen? Das mag auf den ersten Blick etwas kurios klingen, geht aber absolut in Ordnung, wenn es sich um die 1980 von Frei Otto für den Tierpark Hellabrunn errichtete Großvoliere handelt. Das an bis zu 18 Meter hohen Pylonen befestigte dünnmaschige Edelstahlgewebe überspannt eine Grundfläche von rund 5.000 Quadratmetern und ist ein wunderbares Beispiel für eine die Grenzen der Architektur überschreitende Schöpfung aus Luft und Raum. Gleichzeitig ist die Voliere sicherlich eine der schlüssigsten Verkörperungen der architektonischen Handschrift Frei Ottos.

Im Münchner Kontext wird der 1925 geborene Architekt in der Regel vor allem mit einem anderen Bauwerk in Verbindung gebracht: Den Zeltdächern des Olympiaparks. Bei meinem Buch über die ‘72er Olympia-Architektur habe ich Frei Otto aber bewusst nur wenig Raum eingeräumt. Denn beschäftigt man sich mit der Entstehungsgeschichte des Olympiaparks, merkt man schnell, dass Frei Otto hier eher die Rolle eines Inspirationsgebers zukam als die eines operativ Ausführenden. Günter Behnisch hat die Idee der Zeltdächer (die im ersten Modell noch durch Nylon-Strümpfe symbolisiert wurden) kurzerhand von den ersten, aufsehenerregenden Arbeiten Frei Ottos in Kassel und Montreal adaptiert. Im Rahmen des Planungsprozesses für München ’72 wurde Frei Otto zwar konsultiert, schließlich aber den statisch belastbareren Umsetzungen von Fritz Leonhard und Wolf Andrä der Vorzug gegeben. Das Ergebnis erinnert zwar formal an die Vorbilder Frei Ottos, besitzt aber eine ungleich größere Massivität.

Und genau deshalb darf Frei Ottos Großvoliere im Tierpark Hellabrunn als Münchner Gegengewicht zu den Olympiadächern betrachtet werden. Massiv oder gar monumental ist hier gar nichts. Stattdessen kennzeichnet die Netzkonstruktion einen Raum, der zwar umgrenzt, aber auch gleichzeitig frei fließend ist. Gelungen ist Frei Otto damit das Paradox einer Architektur, die nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern den Raum, in dem sie angesiedelt ist, zum eigentlichen Akteur macht. Und was kann man sich besseres vorstellen, als einen Tierparkbesuch, der auch noch mit einem architektonisch-ästhetischen Highlight aufwartet?

Die Großvoliere fügt sich harmonisch in das Grün der Tierpark-Landschaft ein
Die Eingänge liefern mit ihrer fließenden Form einen spielerischen Jugendstil-Anklang
Das im Raum schwebende Edelstahlnetz spielt mit dem Licht
18 Meter hohe Stahlpylonen tragen das luftige Gitternetz

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