Donnerstag, 24. Januar 2013



Schwabylon Ein Phantom und doch allseits bekannt: Das Einkaufs- und Vergnügungszentrum Schwabylon gehört zu den bekanntesten Bauwerken der Münchner Nachkriegsmoderne. Auch der Sachverhalt, dass das 1973 eröffnete Schwabylon bereits 1979 wieder abgerissen wurde, ändert daran nichts, sondern befeuert den Mythos nur noch. Denn mit seiner grellbunten Hippie-Fassade und seiner ausschließlich hedonistisch ausgerichteten Zweckbestimmtheit scheint das Gebäude wie eine in Beton gegossene Verkörperung von Münchens „Swinging Seventies“. In der Folge ist das Schwabylon auch bestens dokumentiert, unter anderem durch einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag, durch eine Planskizze auf der Webseite des Architekten Justus Dahinden sowie durch die recht beeindruckende Dokumentation der bis heute noch erhaltenen Fragmente des Bauwerks durch die „Bunkerfreunde München“.

Wenig Beachtung wird allerdings dem Sachverhalt geschenkt, dass das Einkaufs- und Vergnügungszentrum Schwabylon nur Teil eines Bauensembles war, zu dem auch zwei Wohnhochhäuser gehören, die noch heute existieren und in ihren Untergeschossen ungenutzte Reste der ehemaligen Schwabylon-Schwimmhalle beherbergen. Es handelt sich dabei um das zehnstöckige Apartmenthaus Leopoldstraße 202 und das sogar bis zu fünfzehnstöckige, leicht pyramidenförmige Hochhausgebäude Leopoldstraße 206. Einst für „Messerstechereien, Drogenhandel und Prostitution“ bekannt, befinden sich die Wohnhäuser heute in einem für Bauten der Siebziger Jahre vorbildlichen Zustand.

Im Detail betrachtet geben sich beide Apartmenthäuser schnell als Überbleibsel des Schwabylon-Ensembles zu erkennen: In den großzügigen Eingangsfoyers finden sich typische 70er-Jahre-Formen, die Fassadengestaltung nimmt die in leuchtendem gelb und rot gehaltene Farbgebung des Einkaufs- und Vergnügungscenters auf und der skulptural gestaltete Aufzugs- und Versorgungsschacht im Mittelteil des höheren Wohnhochhauses korrespondiert mit der ehemaligen Schwabylon-Fassade. Auf der der Leopoldstraße abgewandten Gebäudeseite befindet sich schließlich noch ein pyramidenförmiges Oberlicht, das Einblick in einen Teil der verfallenen Schwabylon-Schwimmhalle bietet.

Die Apartmenthäuser beeindrucken mit Monumentalität, werden aber sonst durch schlichte Zweckgebundenheit gekennzeichnet, die durch das eine oder andere heute als angenehm „retro“ empfundene Gestaltungsdetail durchbrochen wird. Um ein architektonisches Highlight handelt es sich nicht, aber wohl um einen Bau, der auch heute noch recht gut das Zeitgefühl der Siebziger Jahre verströmt. Damit dürfte übrigens auch der Kern der Schwabylon-Nostalgie recht gut getroffen sein: Wer hätte heute ernsthaft noch gerne in einer eher unattraktiven Ecke von Schwabing einen von einer Sonnen-Fassade geprägten Betonkoloss, der in seinem Inneren ein munteres Sammelsurium aus Shopping, Gastronomie, Spielhalle, Ärztehaus, Eishalle und Schwimmbad beherbergt? Aber als Retro-Fetisch auf einem Merricks-Plattencover macht das Schwabylon in jedem Fall eine gute Figur.



Luftbild der Anlage Leopoldstraße 202 - 206 bei Google Maps - das Schwabylon befand sich anstelle der Bürogebäude im Vordergrund

Fassade des größeren Wohnblocks (Leopoldstraße 206)


Der eigenwillige Versorgungsschacht des Hochhauses / Fassadendetail
Feinste 70er Jahre Formen in der Eingangshalle des Hochhauses
Die Anlage wird von der für Bauten der 70er Jahre typischen Monumentalität geprägt
Rückansicht des Wohnhochhauses mit eigenwilligen Belüftungsrohren
Detailansicht der Balkone
Ein Oberlicht auf dem Parkdach bietet Einblick in die ehemalige Schwabylon-Schwimmhalle

Donnerstag, 17. Januar 2013



Theresienhöhe Bereits die erste Station meiner Stadterkundung im Zeichen von münchen modern hat nicht unbedingt die beste Nachrede: Bei dem Wohnkomplex Theresienhöhe handele es sich um „eine riesige Wohnmaschine, vierundzwanzigstöckig (und aus Beton) auf den sanft ansteigenden Hügel der Schwanthalerhöhe geklotzt“, die „diesem Stadtviertel buchstäblich das Genick gebrochen hat“, schreibt Helmut Dietl im Vorwort zu Patrick Süskinds Drehbuch zum „Monaco Franze“.

Das mit den 24 Stockwerken ist zwar leicht übertrieben (mehr als 13 habe ich nicht gezählt), doch ist klar, dass die Theresienhöhe gewaltige Ausmaße besitzt: Die überbaute Fläche dürfte um die 50.000 qm betragen (das entspricht mehr als fünf Fußballfeldern). Dabei beinhaltet die Theresienhöhe vier Wohnhochhäuser, ein Hotel, zwei Kaufhäuser sowie eine Großgaststätte. Verantwortlich für den Baukomplex zeichnet der Münchner Architekt Fred Angerer. Im Rahmen von münchen modern dürfte der Name noch öfters auftauchen, mir ist Angerer bereits bei meinem „München ‘72“-Projekt als Miturheber von Olympia-Pressestadt und -Einkaufszentrum begegnet. Die frühen 70er Jahren zählten ohnehin zu einer Hauptphase in Angerers Schaffen. So wurde auch die Theresienhöhe im Olympiajahr 1972 fertiggestellt.

Dafür, sich noch heute mit dem Bauwerk auseinanderzusetzen, qualifiziert sich Angerers Theresienhöhe, da es sich bei dem Komplex um einen für die damalige Zeit typisch umfassend angelegten Entwurf handelt: Die bereits erwähnten Kaufhaus- und Gastronomiebauten fungieren dabei als Fundament für die daraus hervorwachsenden Hochhäuser. Die sich zwischen den Wohnbauten erstreckende Terrassenfläche ist dabei als erhöhte Parklandschaft mit Erholungsflächen und Spielplätzen angelegt. Ähnlich dem Olympischen Dorf entsteht so ein autofreies Biotop mitten innerhalb der Großstadt.

Allerdings scheint Angerers zukunftsgerichtetes Konzept nur bedingt zu funktionieren. Zwar sind die Gebäude der Theresienhöhe durchgehend gut in Schuss und sorgen Saturn und XXXLutz für eine hohe Frequenz in den zugehörigen Kaufhausbereichen. Dennoch wirken Gemeinschaftsflächen wie die Dachgärten und Durchgangspassagen heute eher verwaist. Zudem haben sowohl XXXLutz wie auch die Großgaststätte Pschorr Keller inzwischen mit harmonisierenden Umbauten den konsequent modernen Charakter der brutalistischen Anlage geschwächt. Die Theresienhöhe wirkt damit als Indiz dafür, dass das faszinierend geschlossene Konzept der Wohnmaschine von ihren Benutzern und Bewohnern nur bedingt angenommen wird.


Die Theresienhöhe in der Luftansicht von Google Maps

Blick vom südlichen Wohnturm in Richtung Norden


Über den Dächern des Viertels wachsen die Wohnhochhäuser aus der Dachterasse empor


Ansicht von der Schiessstättstraße / Eingang zur Passage (ehemaliger Pschorr Keller)


Ansicht von Osten: Zwei der vier Wohnblöcke mit vorgelagertem Bürogebäude und Großgaststätte


Detailansicht: Die Wohnblöcke weisen eine unterschiedliche Fassadengestaltung auf


Fließende Stahlbetonformen im südlichen Parkhaus


70s-Feeling: Glasziegelbänder durchziehen die Passagen


Elliptische Formen in der Passage / Hauseingang

Dienstag, 15. Januar 2013



Blog-Manifest Nachdem ich mein Buch über „München ’72 – Olympia-Architektur damals und heute“ veröffentlicht hatte, wurden mir vor allem zwei Fragen besonders häufig gestellt: „Wie sind Sie auf das Thema gekommen?“ und „Welche Buchprojekte planen Sie als nächstes?“. Interessanterweise haben sich beide Fragen für die Entstehung der Blog-Idee von münchen modern als ausgesprochen nützlich erwiesen.

Im Hinblick auf die nächsten Buchprojekte weiß ich inzwischen, dass ich dem Prozess Vorrang vor dem Produkt einräumen möchte. Konkret heißt das: Seit meiner Buchveröffentlichung habe ich Angebote für weitere Buchthemen erhalten, die mich aber nicht wirklich begeistern konnten. Umgekehrt stellte sich bei den Ideen, die mir am Herzen lagen, schnell die Frage ein: „Wird das auch jemand veröffentlichen?“ Ein Blog ist dafür die perfekte Antwort. Hier kann ich meine Idee in Ruhe entwickeln ohne mich nach den Vorgaben Dritter zu richten. Zudem bieten regelmäßige Blogbeiträge die Chance, sich nach und nach ein interessiertes Publikum zu erobern. Sollte münchen modern tatsächlich eines Tages in eine Buchveröffentlichung münden, könnte so eine größere Öffentlichkeit bereitstehen, als sie ein Spezialverlag zu organisieren in der Lage wäre.

Thematisch führt münchen modern das fort, was mich bereits zu der Beschäftigung mit der Olympia-Architektur von 1972 getrieben hat: Das Interesse an den oft unterschätzten Bauten der Nachkriegsmoderne. Gerade in den 60er, 70er und 80er Jahren sind in München – wie auch weltweit – Bauwerke entstanden, die gedanklich über ihre Zeit hinausweisen und aus heutiger Sicht Zukunftsgerichtetheit mit einem reizvollen Retro-Flair verbinden. Vieles davon mag vielleicht längst überholt sein, doch ist es der Mut zum großen Wurf, der in der Gegenwart oft schmerzlich fehlt.

Beispiele für ein solches zukunftsgerichtetes Bauen will münchen modern anschaulich ins Bild setzen und mit den dazugehörigen Informationen präsentieren – um auf diese Weise zu zeigen, wie viel Inspiration der vielfach verschmähte „Concrete Jungle“ der Nachkriegsjahrzehnte auch heute noch zu bieten hat.