Montag, 30. Dezember 2013



Seitenblick Berlin So spannend die Beschäftigung mit der gebauten Nachkriegsmodernde in München auch ist, kommt man in andere Großstädte, werden die Maßstäbe schnell zurechtgerückt. Ein gutes Beispiel dafür ist Berlin. Alleine die Fahrt über die innenstädtische S-Bahn-Trasse eröffnet Blicke u.a. auf den Alexanderplatz mit futuristischem Fernsehturm, das weite Neubauareal der Bundesbauten, die modernen Schmuckstücke des Hansaviertels und die Wirtschaftswunder-Architektur am Bahnhof Zoo/Ku'damm.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass dem reichen Arsenal an modernen Bauten eine relativ bescheidene Literaturlage gegenüberstand. In den einschlägigen Architekturführern ist die Nachkriegsmoderne nur sehr knapp vertreten und attraktive Monographien zu den einzelnen Baudenkmälern gibt es so gut wie nicht, bzw. allenfalls antiquarisch.
Umso lobenswerter ist die Initiative des Reimer Verlags, unter dem Titel „Baukunst der Nachkriegsmoderne“ einen dezidierten Architekturführer zu den Bauten der Jahre 1949 bis 1979 zu veröffentlichen. Auf 500 Seiten enthält das von mehr als 30 Autoren und Autorinnen der Arbeitsgemeinschaft denkmal!moderne gemeinschaftlich verfasste Buch mehr als 200 Einträge, die sowohl die Entwicklung im Westen wie auch im früheren Ostberlin beleuchten. Die Bandbreite reicht von öffentlichen Bauten über Geschäfts- und Wohnhäuser bis hin zu Kirchen, Siedlungen und Grünanlagen. Die Menge an Entdeckungen und Anregungen zu künftigen Streifzügen ist dabei nahezu unbeschränkt.

Gleichzeitig hat das Architekturführer-Format allerdings auch seine Schwächen: Gerade bei herausragenden Bauten, wie etwa Egon Eiermanns Gedächtniskirche, Hans Scharouns Philharmonie oder Le Corbusiers Berliner Unité d'habitation können die knappen Einträge und kleinformatigen (aber immerhin durchwegs sehr gelungenen) Fotografien das Interesse des Lesers keineswegs zufriedenstellen. „Baukunst der Nachkriegsmoderne“ eignet sich hier allenfalls als Appetitanreger für eine vertiefte Lektüre, wozu die in dem Buch enthaltenen Literaturangaben einen guten Ansatz liefern. Ebenfalls diskussionswürdig ist die zeitliche Festlegung des Buchs auf die Periode bis 1979, welche dazu führt, dass eine Reihe interessanter Bauten der Postmoderne leider außen vor bleiben.

Unter dem Strich ist „Baukunst der Nachkriegsmoderne“ dennoch ein gut gelungener, inhaltlich erschöpfender und in einer hohen Qualität verfasster Wegweiser zu Baudenkmälern, die auch in Berlin oftmals noch gar nicht als solche wahrgenommen werden. Und aus der Perspektive von münchen modern liefert der Titel interessante Impulse für das angedachte Begleitbuch zum Blog.



Dienstag, 30. Juli 2013


Frei-Otto-Voliere Ein Vogelkäfig als Musterbeispiel für modernes Bauen? Das mag auf den ersten Blick etwas kurios klingen, geht aber absolut in Ordnung, wenn es sich um die 1980 von Frei Otto für den Tierpark Hellabrunn errichtete Großvoliere handelt. Das an bis zu 18 Meter hohen Pylonen befestigte dünnmaschige Edelstahlgewebe überspannt eine Grundfläche von rund 5.000 Quadratmetern und ist ein wunderbares Beispiel für eine die Grenzen der Architektur überschreitende Schöpfung aus Luft und Raum. Gleichzeitig ist die Voliere sicherlich eine der schlüssigsten Verkörperungen der architektonischen Handschrift Frei Ottos.

Im Münchner Kontext wird der 1925 geborene Architekt in der Regel vor allem mit einem anderen Bauwerk in Verbindung gebracht: Den Zeltdächern des Olympiaparks. Bei meinem Buch über die ‘72er Olympia-Architektur habe ich Frei Otto aber bewusst nur wenig Raum eingeräumt. Denn beschäftigt man sich mit der Entstehungsgeschichte des Olympiaparks, merkt man schnell, dass Frei Otto hier eher die Rolle eines Inspirationsgebers zukam als die eines operativ Ausführenden. Günter Behnisch hat die Idee der Zeltdächer (die im ersten Modell noch durch Nylon-Strümpfe symbolisiert wurden) kurzerhand von den ersten, aufsehenerregenden Arbeiten Frei Ottos in Kassel und Montreal adaptiert. Im Rahmen des Planungsprozesses für München ’72 wurde Frei Otto zwar konsultiert, schließlich aber den statisch belastbareren Umsetzungen von Fritz Leonhard und Wolf Andrä der Vorzug gegeben. Das Ergebnis erinnert zwar formal an die Vorbilder Frei Ottos, besitzt aber eine ungleich größere Massivität.

Und genau deshalb darf Frei Ottos Großvoliere im Tierpark Hellabrunn als Münchner Gegengewicht zu den Olympiadächern betrachtet werden. Massiv oder gar monumental ist hier gar nichts. Stattdessen kennzeichnet die Netzkonstruktion einen Raum, der zwar umgrenzt, aber auch gleichzeitig frei fließend ist. Gelungen ist Frei Otto damit das Paradox einer Architektur, die nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern den Raum, in dem sie angesiedelt ist, zum eigentlichen Akteur macht. Und was kann man sich besseres vorstellen, als einen Tierparkbesuch, der auch noch mit einem architektonisch-ästhetischen Highlight aufwartet?

Die Großvoliere fügt sich harmonisch in das Grün der Tierpark-Landschaft ein
Die Eingänge liefern mit ihrer fließenden Form einen spielerischen Jugendstil-Anklang
Das im Raum schwebende Edelstahlnetz spielt mit dem Licht
18 Meter hohe Stahlpylonen tragen das luftige Gitternetz

Montag, 6. Mai 2013

Beck-Kaufhaus Laim Wenn man wie der Verfasser dieses Blogs in den 70er/80er Jahren aufgewachsen ist, wird die Beschäftigung mit der Nachkriegsmoderne unweigerlich auch zur Reise in die eigene Kindheit. Das möge auch als Erklärung für diesen Beitrag zum ehemaligen Kaufhaus Beck in Laim dienen, denn architektonisch zählt der Bau sicherlich nicht zur Crème de la Crème der Münchner Moderne. Die zeitweilige Filiale des Modehändlers Ludwig Beck kämpft vielmehr mit dem gleichen Dilemma wie viele Kaufhausbauten der alten Bundesrepublik: Das „form follows function“-Paradigma legte eigentlich den Bau einer fensterlosen Black Box nahe. Gleichzeitig erforderte das Bedürfnis der Kaufhausbetreiber nach Außenwirkung ein gewisses Maß an architektonischen Showeffekten.

Im Falle des mit hellbraunen Backsteinen verkleideten Beck-Kaufhauses wurde dieser durch den reliefartig in die Fassade integrierten Firmennamen, auffallende Erker sowie ein umlaufendes Betonband als Dachabschluss erzielt. Nicht vergessen werden darf auch ein entfernt an einen U-Boot-Turm erinnernder, skulpturaler Luftabzug aus Sichtbeton. Ende der 70er Jahre wurde das Erdgeschoss des Kaufhauses zudem mit einer dunkelgrün gehaltenen Verblendung versehen, was für zusätzlichen Zeit-Appeal sorgte. In der Kindheitserinnerung des Verfassers nimmt das Beck-Kaufhaus durchaus eine besondere Rolle ein, was neben dem auffälligen Äußerem wohl auf das Wechselspiel von Rolltreppen und Stiegen mit einer Halbgeschosseinteilung im Inneren zurückzuführen war.

Für alle Nicht-Laimer, die sich fragen, warum immer in der Vergangenheit von dem Kaufhaus geredet wird, hier ein kurzer Blick auf die Historie: Fertiggestellt wurde der Bau 1968 nach Plänen von Peter Miller, einem „Nachfahren von Oskar von Miller“, wie man bei der Pressestelle von Ludwig Beck weiß. Viel mehr Informationen gibt es allerdings auch dort nicht, da das Haus zwar im Auftrag des Modehändlers, aber von einem privaten Eigentümer errichtet wurde. 1990 zog sich Ludwig Beck von dem Standort zurück und leitete damit die nun schon ebensolang wie die Nutzungszeit andauernde „Karriere“ des Gebäudes als moderne Ruine ein. 2001 übernahm die Immobilienunternehmerin Daniela Högl den asbestbelasteten Bau und plante eine Zukunft des Hauses als Gewerbestandort. In diese Phase fällt auch ein Entwurf des Architekturbüros WEP Effinger Partner, der einen zeitgemäßen Umbau des Kaufhauses und eine Öffnung des Gebäudes zur Straße vorsah. Gegen Ende des Jahrzehnts versanken alle Umbaupläne in einer Reihe von Insolvenzen und fiel das erst halb fertiggestellte Bauwerk wieder in seinen Dornröschenschlaf. Im Mai 2013 steht eine Versteigerung des ehemaligen Beck-Kaufhauses an. Was danach geschieht, ist weiterhin völlig offen.

Die kuriose Geschichte des in einer vergleichsweise guten Lage angesiedelten Kaufhausbaus wird von verschiedensten Wegbegleitern gesäumt. Während Anwohner und Lokalmedien vom „Schandfleck vom Laim“ sprechen, trifft das Gebäude bei Immobilienspekulanten und abenteuerlustigen Großstadt-Archäologen auf positivere Resonanz. Dennoch ist bemerkenswert, dass das ehemalige Beck-Kaufhaus überhaupt noch steht. Nachdem der Zeitpunkt für eine adäquate Nachnutzung schon lange verstrichen ist, wurden durch den begonnenen Umbau Fakten geschaffen, die den originalen Charakter des Gebäudes – insofern erhaltenswert – tiefgreifend verändert haben. Am ehesten steht der Bau in seiner heutigen Form damit für den Strukturwandel im Handel an sich, der das Konzept groß angelegter Kaufhäuser ohnehin zunehmend obsolet macht.

Das Beck-Kaufhaus in Laim in einer Aufnahme von 1975 (Bild: Historischer Verein Laim)


1980 war das Ergeschoss bereits mit der Verblendung verkleidet (Bild: Historischer Verein Laim)



Die Kaufhaus-Ruine 2006, noch vor dem Umbau (Bild: Historischer Verein Laim)

Der Entwurf für den Umbau des ehemaligen Beck-Kaufhauses (Entwurf: WEP Effinger Partner)

Der heutige Zustand des Gebäudes, Frontansicht

Auffälliger Abluftkanal als Betonskulptur

In der Seitenansicht zeigt sich die monumentale Wirkung des Kaufhausgebäudes

Freitag, 22. Februar 2013

Persil-Schule Eigentlich soll münchen modern ja ausschließlich Gebäude präsentieren, die in den 60er, 70er und 80er Jahren gebaut wurden. Die ehemalige Persil-Schule an der Landsberger Straße 150 wurde dagegen bereits 1956 fertiggestellt. Doch gibt es für diesen Blogeintrag gute Gründe: Zum einen wohne ich in unmittelbarer Nähe der Persil-Schule und zum anderen hätte ich das Gebäude auf den ersten Blick nie in die 50er Jahre verortet – viel zu spacig streckt sich das Obergeschoss des zweistöckigen Baus der vielbefahrenen Landsberger Straße entgegen und auch der langjährige Verwendungszweck als Musikfachgeschäft – als Teenager kaufte ich dort Gitarrensaiten und Picks – ließ mich eher an die 70er Jahre denken.

Doch bereits ein Blick in den informativen Wikipedia-Eintrag zur Persil-Schule belehrt eines besseren: Der Haushaltswarenkonzern Henkel errichtete das Gebäude in den Jahren 1954-56 im Rahmen der Vertriebs- und Marketinganstrengungen für sein Waschmittel Persil. In insgesamt fünf deutschen Städten dienten sogenannte Persil-Schulen der Qualifizierung der Henkel-Handelsvertreter, aber auch der Unterrichtung von Wäschereien und Hausfrauen im richtigen Umgang mit dem Waschmittel. Eine zeitgemäße Architektur sollte zudem der Image-Bildung der Marke dienen. Aus heutiger Sicht wirkt die Bewerbung eines Waschmittels durch eigens gebaute Schulungscenter auf den ersten Blick eher kurios. Doch betrachtet man, mit welchem Aufwand beispielsweise Apple in seinen Flagshipstores heute die Präsentation seiner Produkte in einem markenstützenden Design-Umfeld betreibt, kann der Düsseldorfer Henkel-Konzern in dieser Hinsicht auch ebenso gut als moderner Vorreiter betrachtet werden. (Oder handelt es sich beim Konzept der Flagship-Stores um einen Rückgriff auf die traditionelle, in Markengeschäften betriebene Direktvermarktung?)

Die Münchner Persil-Schule wurde jedenfalls von der Düsseldorfer Architektengemeinschaft Ernst Petersen / Walter Köngeter geplant, die für den Henkel-Konzern auch viele weitere Firmenbauten, Wohnsiedlungen und Persil-Schulen bauten. Das Gebäude an der Landsberger Straße 150 wird durch große, den Straßenverkehr wiederspiegelnde Fenster im zur Straße auskragenden Obergeschoss geprägt sowie durch ein links neben der Gebäudemitte angebrachtes Mosaik, in welchem das „H“ der Firma Henkel aufgenommen wird. Die Henkel-Initiale prägt auch die verschränkte Glasfenster-Konstruktion an der Rückseite der ehemaligen Persil-Schule. In erster Linie ist es aber die nach oben gerichtete Winkelform, die das Gebäude auch heute noch zukunftsgerichtet aussehen lässt und aus der umliegenden Straßenbebauung herauslöst.

Seit 1999 befindet sich die Persil-Schule unter Denkmalschutz – ein Umstand, der dazu beitrug, dass das Gebäude auch in das 2004/05 rundherum errichtete Bürogebäude der Direktion München der AOK Bayern integriert wurde. Wie ein Beitrag in der Deutschen Bauzeitung (Ausgabe 12/2005) ausführt, wurde eine echte historische Sanierung des Gebäudes zwar in mancher Hinsicht verfehlt, doch wurde die Bausubstanz der Persil-Schule gesichert und diese einer erneuten Nutzung als Schulungsgebäude zugeführt. Durch die umlaufende mehrstöckige Einfassung hat sich die Gesamtwirkung der Persil-Schule zwar deutlich verändert, dennoch darf die Einbindung in den neuen Gebäudekomplex als erfreulicher Beitrag zur Bewahrung des modernen Bauerbes Münchens begrüßt werden.


Die Persil-Schule in all ihrer 50er-Jahre-Glorie (© Deusche Bauzeitung, 12/2005, S. 52)
Frontalansicht der ehemaligen Persil-Schule: klarer, reduzierter Baukörper mit Fassadenmosaik

Ansicht von Westen mit dem charakteristisch zur Straße auskragenden Obergeschoss

Die Glasfassade
Das Fassandemosaik nimmt das "H" der Firma Henkel als Gestaltungsmotiv auf


Der Winkelförmige Baukörper in der Seitenansicht
Rückansicht der Persil-Schule
Auch in den Fenstern der Gebäuderückseite wird das Henkel-H wiederaufgenommen
 



Donnerstag, 21. Februar 2013



Update Schweinchenbau Na also, mit etwas Glück müssen die Urheber der modernen Münchner Bau-Mauerblümchen doch nicht namenlos bleiben. Im Falle des Institutsgebäudes Leopoldstraße 13 (aka Schweinchenbau) ist es nun das Universitätsbauamt höchstselbst, das mir freundlicherweise weitere Details zu dem Gebäude zur Verfügung gestellt hat. Demzufolge handelt es sich bei dem Bauwerk um eine Eigenplanung des Universitätsbauamtes mit dessen damaligem Mitarbeiter Ernst Baumann als planendem Architekten. Die Skulptur im Innenhof zur Mensa („Allegorie der Lehre“) sowie Relief-Medaillons mit Wissenschaftler-Persönlichkeiten in der Treppenpassage zur U-Bahn stammen von dem Bildhauer Jürgen Goertz. Der Brunnen/Steinrelief am U-Bahn-Eingang wurde von dem Künstler Hans Rucker gestaltet. Für die Bilder und Dekorationen im Inneren des Schweinchenbaus zeichneten StudentInnen des Lehrstuhls für Kunsterziehung verantwortlich.

In der „Fest- und Informationsschrift zur feierlichen Übergabe und Inbetriebnahme des Universitätsgebäudes Leopoldstraße 13 am 13. Januar 1986“ fasst der Architekt Ernst Baumann noch einmal seine Intentionen zusammen: Das Gebäude bestehe seinen Funktionen (Lehreinrichtungen, Institute, Hörsaal/Bibliothek) gemäß aus drei Häusern, die jeweils in ihren oberen Geschossen einen Innenhof (bzw. im Falle der Bibliothek ein Glasdach) ausbildeten. Verschiedene Rot/Rosa-Töne an den Fassaden sowie im Gebäudeinneren setzten die einzelnen Häuser voneinander ab. Die mit weißem Marmor in den Boden gezeichneten Hauptachsen der Institutsgebäude kreuzten sich am (ebenfalls rot asphaltierten) Mensa-Vorplatz an der Stelle der „Allegorie“-Plastik.

In der Tat ein ausgeklügeltes Bauprogramm, das weit über die Mindestanforderungen für einen öffentlichen Zweckbau hinausgeht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich beim Schweinchenbau um das umfangreichste Bauvorhaben handelt, das Baumann in seiner beruflichen Laufbahn verantworten durfte – und er diese Möglichkeit auch entsprechend auszukosten wusste. Die Online-Recherche ergibt, dass Ernst Baumann in der Folge von 1989 bis 2008 als Leiter des Staatlichen Bauamts Freising fungierte. In seinem – inaktiven – LinkedIn-Profil schreibt er: „35 Jahre Hochschulbau. Die Frage, die mich jetzt interessiert: Ist der Städtebau verloren gegangen? Ich sehe zwar gute Architektur, aber keinen Städtebau...“

Mittwoch, 6. Februar 2013

Schweinchenbau Ein bisschen später als geplant erscheint Beitrag #3 von münchen modern über das Institutsgebäude der LMU an der Leopoldstraße 13, aufgrund seiner Rosa Farbgebung im Volksmund besser bekannt als „Schweinchenbau“. Dafür dass dieser Blogpost erst jetzt veröffentlicht wird, sind Schwierigkeiten bei der Recherche verantwortlich: Teil der Idee von münchen modern ist es, möglichst genaue Informationen über das jeweilige Gebäude, die beteiligten Architekten und die Baugeschichte bereitzustellen. Beim Schweinchenbau ist es mir jedoch bislang nicht gelungen, den Namen des verantwortlichen Architekturbüros in Erfahrung zu bringen. Für diese Problematik, die es in Zusammenhang mit münchen modern sicherlich noch öfter geben wird, gilt es eine Lösung zu finden. Gleichzeitig steht diese Informationslücke aber auch für den prekären Status vieler Bauten der 60er, 70er und 80er Jahre: Man kennt Behnisch‘ Olympiastadion und Karl Schwanzers BMW-Hochhaus. Den in der gleichen Zeit entstandenen, das Münchner Stadtbild prägendem Bauten von Architekten wie Alexander von Branca, Ernst Maria Lang oder Fred Angerer wird dagegen bestenfalls mit Gleichgültigkeit, wenn nicht mit Ablehnung begegnet.

Natürlich handelt es sich dabei nicht immer um architektonische Ausnahmeschöpfungen ersten Ranges, doch hat auch so mancher Gebrauchsbau seine Qualitäten – wie auch das Beispiel Schweinchenbau zeigt. Wie aus Entwurfsskizzen auf der Webseite des Immobilienunternehmens Peter Haupt hervorgeht, wurde die Planung des Institutsgebäudes 1979 erstellt. Das Richtfest wurde 1983 gefeiert und 1985 zogen schließlich u.a. die Psychologische Fakultät der LMU sowie die Lehrbuchbibliothek des Studentenwerks in dem Gebäude ein. Der Schweinchenbau befindet sich zwischen der 1970 errichteten LMU-Mensa im Westen und der 1971 eröffneten U-Bahnhaltestelle Giselastraße im Osten an der Stelle des ehemaligen Prinz-Leopold-Palais. Das Wohndomizil des jüngeren Bruders von Bayerns letztem König Ludwig III. wurde 1935 von den Nationalsozialisten abgerissen, ein an dem Ort geplantes Jagdmuseum jedoch nie realisiert.

Bereits in seiner äußeren Erscheinung verweist der Schweinchenbau auf die architektonische Postmoderne. Der ziemlich massive Baukörper setzt bei einer moderaten Höhe mehr auf Breite und Tiefe. Erker, Dachbalkone und stufig auslaufende Pylonen verleihen dem Gebäude eine eher verspielte Ausstrahlung. Im Inneren setzt sich das Programm einer weniger strengen, natürlicher wirkenden Moderne fort. Am deutlichsten wird das in der im Kern des Gebäudes liegenden, fünf Etagen überspannenden Institutsbibliothek: Eine trichterförmig nach Innen verlaufende Dachkonstruktion aus Glas und Stahl versorgt die Bibliothek mit reichlich Tageslicht und läuft in eine baumstammähnliche, begrünte Mittelsäule aus. Die ringsförmig angeordneten Leseetagen werden von Arbeitsplätzen gesäumt, die vielen Bibliothekslesesälen zueigne steril-monumentale Atmosphäre wird dadurch vermieden. Auch andernorts sorgen in dem Institutsgebäude Dachgärten und Oberlichte für eine offene und kreative Atmosphäre. Die große Bandbreite der in dem Haus abgebildeten Funktionen (Hörsäle, Seminarräume, Gemeinschaftsflächen, Büros) wird durch eine entsprechende Vielzahl an Raumformen wiedergespiegelt.

Der Schweinchenbau erscheint in keinem Architekturführer und wird auch sonst nicht zu den architektonischen Meisterwerken in München gezählt. Neben der Bestimmung als Zweckbau ist dafür sicherlich auch die Nähe zur bislang nicht besonders geschätzten architektonischen Postmoderne verantwortlich. Dennoch ist das Institutsgebäude ein exzellentes Beispiel für das, was aufzuzeigen sich münchen modern zum Ziel gesetzt hat: Ein von seinen Nutzern und Anwohnern als alltäglich wahrgenommenes Gebäude der 80er Jahre, das mit seinen Qualitäten gegenwärtigen und künftigen Bauprojekten in München als willkommene Inspirationsquelle dienen könnte.


Luftansicht des Schweinchenbaus bei Google Maps

Fassadenansicht von der Leopoldstraße: Massiver Baukörper mit verspielten Details
Die Dachkonstruktion in der Institutsbibliothek
Das Innere der Institutsbibliothek - einer der schönsten Bibliotheksräume Münchens
Auch das Treppenhaus bietet Durchblicke auf das umgebende Schwabing
Typisch Achtziger: Ein Flur im Institutsgebäude
Kassettendecke, Oberlicht und charakteristische Lampen: Die Zeitungslesehalle
Dachgärten mit ungebenden Institutsräumen
Das Untergeschoss des Schweinchenbaus mit Aus/Eingang zur U-Bahn

Donnerstag, 24. Januar 2013



Schwabylon Ein Phantom und doch allseits bekannt: Das Einkaufs- und Vergnügungszentrum Schwabylon gehört zu den bekanntesten Bauwerken der Münchner Nachkriegsmoderne. Auch der Sachverhalt, dass das 1973 eröffnete Schwabylon bereits 1979 wieder abgerissen wurde, ändert daran nichts, sondern befeuert den Mythos nur noch. Denn mit seiner grellbunten Hippie-Fassade und seiner ausschließlich hedonistisch ausgerichteten Zweckbestimmtheit scheint das Gebäude wie eine in Beton gegossene Verkörperung von Münchens „Swinging Seventies“. In der Folge ist das Schwabylon auch bestens dokumentiert, unter anderem durch einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag, durch eine Planskizze auf der Webseite des Architekten Justus Dahinden sowie durch die recht beeindruckende Dokumentation der bis heute noch erhaltenen Fragmente des Bauwerks durch die „Bunkerfreunde München“.

Wenig Beachtung wird allerdings dem Sachverhalt geschenkt, dass das Einkaufs- und Vergnügungszentrum Schwabylon nur Teil eines Bauensembles war, zu dem auch zwei Wohnhochhäuser gehören, die noch heute existieren und in ihren Untergeschossen ungenutzte Reste der ehemaligen Schwabylon-Schwimmhalle beherbergen. Es handelt sich dabei um das zehnstöckige Apartmenthaus Leopoldstraße 202 und das sogar bis zu fünfzehnstöckige, leicht pyramidenförmige Hochhausgebäude Leopoldstraße 206. Einst für „Messerstechereien, Drogenhandel und Prostitution“ bekannt, befinden sich die Wohnhäuser heute in einem für Bauten der Siebziger Jahre vorbildlichen Zustand.

Im Detail betrachtet geben sich beide Apartmenthäuser schnell als Überbleibsel des Schwabylon-Ensembles zu erkennen: In den großzügigen Eingangsfoyers finden sich typische 70er-Jahre-Formen, die Fassadengestaltung nimmt die in leuchtendem gelb und rot gehaltene Farbgebung des Einkaufs- und Vergnügungscenters auf und der skulptural gestaltete Aufzugs- und Versorgungsschacht im Mittelteil des höheren Wohnhochhauses korrespondiert mit der ehemaligen Schwabylon-Fassade. Auf der der Leopoldstraße abgewandten Gebäudeseite befindet sich schließlich noch ein pyramidenförmiges Oberlicht, das Einblick in einen Teil der verfallenen Schwabylon-Schwimmhalle bietet.

Die Apartmenthäuser beeindrucken mit Monumentalität, werden aber sonst durch schlichte Zweckgebundenheit gekennzeichnet, die durch das eine oder andere heute als angenehm „retro“ empfundene Gestaltungsdetail durchbrochen wird. Um ein architektonisches Highlight handelt es sich nicht, aber wohl um einen Bau, der auch heute noch recht gut das Zeitgefühl der Siebziger Jahre verströmt. Damit dürfte übrigens auch der Kern der Schwabylon-Nostalgie recht gut getroffen sein: Wer hätte heute ernsthaft noch gerne in einer eher unattraktiven Ecke von Schwabing einen von einer Sonnen-Fassade geprägten Betonkoloss, der in seinem Inneren ein munteres Sammelsurium aus Shopping, Gastronomie, Spielhalle, Ärztehaus, Eishalle und Schwimmbad beherbergt? Aber als Retro-Fetisch auf einem Merricks-Plattencover macht das Schwabylon in jedem Fall eine gute Figur.



Luftbild der Anlage Leopoldstraße 202 - 206 bei Google Maps - das Schwabylon befand sich anstelle der Bürogebäude im Vordergrund

Fassade des größeren Wohnblocks (Leopoldstraße 206)


Der eigenwillige Versorgungsschacht des Hochhauses / Fassadendetail
Feinste 70er Jahre Formen in der Eingangshalle des Hochhauses
Die Anlage wird von der für Bauten der 70er Jahre typischen Monumentalität geprägt
Rückansicht des Wohnhochhauses mit eigenwilligen Belüftungsrohren
Detailansicht der Balkone
Ein Oberlicht auf dem Parkdach bietet Einblick in die ehemalige Schwabylon-Schwimmhalle

Donnerstag, 17. Januar 2013



Theresienhöhe Bereits die erste Station meiner Stadterkundung im Zeichen von münchen modern hat nicht unbedingt die beste Nachrede: Bei dem Wohnkomplex Theresienhöhe handele es sich um „eine riesige Wohnmaschine, vierundzwanzigstöckig (und aus Beton) auf den sanft ansteigenden Hügel der Schwanthalerhöhe geklotzt“, die „diesem Stadtviertel buchstäblich das Genick gebrochen hat“, schreibt Helmut Dietl im Vorwort zu Patrick Süskinds Drehbuch zum „Monaco Franze“.

Das mit den 24 Stockwerken ist zwar leicht übertrieben (mehr als 13 habe ich nicht gezählt), doch ist klar, dass die Theresienhöhe gewaltige Ausmaße besitzt: Die überbaute Fläche dürfte um die 50.000 qm betragen (das entspricht mehr als fünf Fußballfeldern). Dabei beinhaltet die Theresienhöhe vier Wohnhochhäuser, ein Hotel, zwei Kaufhäuser sowie eine Großgaststätte. Verantwortlich für den Baukomplex zeichnet der Münchner Architekt Fred Angerer. Im Rahmen von münchen modern dürfte der Name noch öfters auftauchen, mir ist Angerer bereits bei meinem „München ‘72“-Projekt als Miturheber von Olympia-Pressestadt und -Einkaufszentrum begegnet. Die frühen 70er Jahren zählten ohnehin zu einer Hauptphase in Angerers Schaffen. So wurde auch die Theresienhöhe im Olympiajahr 1972 fertiggestellt.

Dafür, sich noch heute mit dem Bauwerk auseinanderzusetzen, qualifiziert sich Angerers Theresienhöhe, da es sich bei dem Komplex um einen für die damalige Zeit typisch umfassend angelegten Entwurf handelt: Die bereits erwähnten Kaufhaus- und Gastronomiebauten fungieren dabei als Fundament für die daraus hervorwachsenden Hochhäuser. Die sich zwischen den Wohnbauten erstreckende Terrassenfläche ist dabei als erhöhte Parklandschaft mit Erholungsflächen und Spielplätzen angelegt. Ähnlich dem Olympischen Dorf entsteht so ein autofreies Biotop mitten innerhalb der Großstadt.

Allerdings scheint Angerers zukunftsgerichtetes Konzept nur bedingt zu funktionieren. Zwar sind die Gebäude der Theresienhöhe durchgehend gut in Schuss und sorgen Saturn und XXXLutz für eine hohe Frequenz in den zugehörigen Kaufhausbereichen. Dennoch wirken Gemeinschaftsflächen wie die Dachgärten und Durchgangspassagen heute eher verwaist. Zudem haben sowohl XXXLutz wie auch die Großgaststätte Pschorr Keller inzwischen mit harmonisierenden Umbauten den konsequent modernen Charakter der brutalistischen Anlage geschwächt. Die Theresienhöhe wirkt damit als Indiz dafür, dass das faszinierend geschlossene Konzept der Wohnmaschine von ihren Benutzern und Bewohnern nur bedingt angenommen wird.


Die Theresienhöhe in der Luftansicht von Google Maps

Blick vom südlichen Wohnturm in Richtung Norden


Über den Dächern des Viertels wachsen die Wohnhochhäuser aus der Dachterasse empor


Ansicht von der Schiessstättstraße / Eingang zur Passage (ehemaliger Pschorr Keller)


Ansicht von Osten: Zwei der vier Wohnblöcke mit vorgelagertem Bürogebäude und Großgaststätte


Detailansicht: Die Wohnblöcke weisen eine unterschiedliche Fassadengestaltung auf


Fließende Stahlbetonformen im südlichen Parkhaus


70s-Feeling: Glasziegelbänder durchziehen die Passagen


Elliptische Formen in der Passage / Hauseingang